Unsere Analysen basieren unter anderem auf Daten und Austausch mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ziel war es, nicht zu prognostizieren, dass Klimaziele verfehlt werden, sondern zu prüfen: Wie würde das System reagieren, wenn es passiert?
Das Ergebnis: Auch bei ambitionierter Klimapolitik muss die Strom- und Netzplanung künftige Extremjahre mitdenken, um Engpässe zu vermeiden.
Warum habt ihr Klimawandel-Szenarien durchgespielt?
Massimo Moser: Wir wollten nicht vorhersagen, ob Klimaziele erreicht werden oder nicht – das ist nicht unsere Aufgabe. Uns ging es darum, zu verstehen, was mit dem Energiesystem passiert, wenn bestimmte Wetterentwicklungen eintreten. Und da zeigt sich sehr klar: Extremjahre wie heiße, windschwache Sommer oder lange Dunkelflauten können das System viel stärker belasten, als man mit einem Durchschnittsjahr abbilden könnte. Deshalb haben wir diese Klimaszenarien ganz bewusst als Stresstests genutzt. Sie helfen uns zu sehen, ob unser System auch dann noch stabil bleibt, wenn die Realität schwieriger ist als die Annahmen, mit denen wir heute planen.
Es reicht also nicht mehr aus, in der Netz- und Kraftwerksplanung mit einem Durchschnittsjahr zu arbeiten?
Massimo Moser: Gerade die extremen Wetterjahre fordern das System. Unsere Analyse zeigt sehr klar: Wind- und PV-Erträge schwanken von Jahr zu Jahr massiv. Wenn man diese Variabilität nicht mitdenkt, plant man zu optimistisch. Das betrifft übrigens nicht nur Erzeugung, sondern auch Verbrauch und Flexibilität. Wir brauchen also Planungsprozesse, die robuster sind und mehrere Wetterjahre berücksichtigen. Erst dann sehen wir wirklich, wo das System an seine Grenzen kommt.
Welche politischen oder planerischen Schlussfolgerungen zieht ihr aus all dem?
Georgios Savvidis: Drei Punkte sind zentral:
- Planungsprozesse robuster gestalten. Die Betrachtung von Wetterextremen muss im Planungsprozess Standard werden.
- Flexibilität gezielt fördern. Haushalte müssen technische und ökonomische Anreize erhalten, flexibel auf das System zu reagieren. Das heißt: schneller Roll-out von Smart Metern, dynamische Stromtarife, Vereinfachung regulatorischer Hürden.
- Europäische Netzintegration stärken. Der Ausbau der Interkonnektoren ist volkswirtschaftlich sinnvoll. Wichtig sind eine bessere europäische Abstimmung und eine realistische Umsetzungsplanung, einschließlich der nachgelagerten Netzverstärkungen innerhalb der Länder.
Außerdem gilt: Planung sollte realistisch, aber vorausschauend sein – nicht nur kostenoptimal, sondern auch widerstandsfähig gegen Unsicherheiten.
Warum ist die europäische Zusammenarbeit so wichtig?
Georgios Savvidis: Je stärker sich Europa vernetzt, desto stabiler und kostengünstiger wird das Gesamtsystem. Unsere Szenarien zeigen, dass ein ambitionierter Ausbau der Interkonnektoren – über das heute Geplante hinaus – sowohl die Kosten senken als auch die Robustheit gegenüber Wetterextremen erhöhen kann.
Wie wurde die Studie aufgenommen?
Massimo Moser: Wir haben viele Rückmeldungen aus Politik, Wissenschaft und Industrie bekommen und erleben, dass die Studie Diskussionen zur Versorgungssicherheit in Europa anstößt – intern wie extern.
Intern wie extern hat sie Diskussionen ausgelöst, zum Beispiel darüber, wie künftig Wettervariabilität, Flexibilität und Klimarisiken in den offiziellen Prozessen berücksichtigt werden können. Für uns war die Veröffentlichung kein Abschluss, sondern eher der Beginn eines Dialogs. Wir verstehen die Studie als Grundlage für weitere fachliche und politische Diskussionen.