Du leitest auch eine bundesweite Steuerungsgruppe zu Systemplanung und Systemführung. Was genau bedeutet das?
Ich bin Leiterin von einer Steuerungsgruppe in Deutschland, die sich unter anderem mit dem Thema Systemstabilität beschäftigt, ein Zusammenschluss zwischen der Netzplanung und der Systemführung. Wir steuern die Arbeit am Systemstabilitätsbericht und stimmen uns übergreifend zu den Themen der Roadmap Systemstabilität ab.
Das ist auch eine kommunikative Aufgabe: Wir bringen die unterschiedlichen Perspektiven zusammen, von der Forschung bis zu den Netzbetreibern. Mir ist wichtig, dass wir über Hierarchie- und Unternehmensgrenzen hinweg ein gemeinsames Verständnis schaffen. Nur so können wir die notwendigen Maßnahmen wirklich umsetzen.
Welche Themen und Herausforderungen hebt ihr im Systemstabilitätsbericht heraus?
Ein zentraler Punkt ist ganz klar das Thema Gridforming: die Fähigkeit von Anlagen, das Netz aktiv zu stützen und zu formen. Früher haben das automatisch die großen konventionellen Kraftwerke übernommen. Sie gaben dem Netz über ihre rotierenden Massen Stabilität und eine feste Frequenz vor.
Wenn wir heute sagen, dass Erneuerbare netzbildend (grid-forming) werden müssen, heißt das: Windparks, Solaranlagen oder auch Batteriespeicher sollen künftig genau diese Rolle übernehmen können. Sie müssen nicht nur Energie einspeisen, sondern dem Netz im Fehlerfall Halt geben.
Ein weiteres wichtiges Thema sind Elektrolyseure. Sie gelten als Schlüsseltechnologie für Wasserstoff, aber sie sind gleichzeitig große elektrische Verbraucher. Auch sie müssen sich netzdienlich verhalten. Also so gesteuert werden, dass sie nicht zusätzlich Schwankungen verstärken, sondern im besten Fall sogar zur Stabilität beitragen.
Eine große Rolle spielt auch die Momentanreserve – Trägheitsersatz zur Abfederung schneller Frequenzänderungen. In klassischen Kraftwerken entsteht sie ganz natürlich durch Schwungmassen, also durch physische Trägheit der Turbinen, die kurzfristig Energie abgeben, wenn sich die Netzfrequenz ändert. Diese Eigenschaft geht uns verloren, wenn wir auf leistungselektronische Anlagen umsteigen. Deshalb müssen wir neue Wege finden, diese Reserve bereitzustellen, etwa durch Batteriespeicher oder andere netzbildende Systeme.
Schließlich sehen wir zunehmende Prognoseunsicherheiten. Wenn etwa die Sonne stärker scheint oder plötzlich Gewitter aufziehen, kann die Einspeiseleistung in Sekundenbruchteilen einbrechen oder ansteigen. Diese Dynamik ist für das Netz eine Herausforderung. Je mehr Erneuerbare einspeisen, desto wichtiger wird es, solche Schwankungen schnell ausgleichen zu können, technisch wie organisatorisch.
Wie sind die Reaktionen auf den Systemstabilitätsbericht?
Ich würde sagen, dass das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur hinter dem Stabilitätsbericht stehen und befürworten, dass die Maßnahmen aufgrund ihrer Dringlichkeit angegangen werden.
Wie blickst du persönlich auf die Entwicklungen in deinem Feld?
Ich bin optimistisch. Die Politik unterstützt das Thema Systemstabilität sehr stark, und es ist allen bewusst, dass wir hier über die Grundlage der Energiewende sprechen. Wichtig ist, dass wir es gemeinsam denken, über alle Netzebenen hinweg.