Batteriespeicher"Wir erleben einen wahren Boom an Netz­anschluss­anfragen"

Was haben Netzanschlussbegehren mit einer gelungenen Transformation des Energiesystems zu tun? Das beantwortet Dr. Andreas Bublitz, Leiter der Abteilung Netzzugang und Netzkunden bei TransnetBW, in folgendem Interview.

Dr. Andreas Bublitz
Dr. Andreas Bublitz: Der promovierte Wirtschaftsingenieur vom Karlsruher Institut für Technologie hat 2018 bei TransnetBW in der Netzplanung begonnen, hat dort seit 2021 das Team „Netzdynamik & Systemverhalten“geleitet, bevor er 2023 Leiter der Abteilung „Netzzugang & Netzkunden“ geworden ist.

Andreas, was genau macht die Abteilung, die du bei TransnetBW leitest?

Die Abteilung Netzzugang und Netzkunden beschäftigt sich mit dem netzwirtschaftlichen Teil der Anschlüsse an unser Netz. Wir betreuen alle bestehenden Netzkunden, berechnen die Netznutzungsentgelte und verantworten die vollständige Messung, Zuordnung und Ausbilanzierung der Energiemengen im Übertragungsnetz. Darüber hinaus bearbeiten wir alle Netzanschlussbegehren. Angesichts der Transformation unseres Stromsystems hin zu einem klimaneutralen Stromsystem ändert sich die Landschaft der Netzanschlüsse. 

 

Siehst du dadurch wachsende Aufgaben in deiner Abteilung?

Ja, ganz massiv. Wir erleben einen wahren Boom an Netzanschlussanfragen. Mittlerweile haben wir Anfragen in einer Größenordnung von mehr als 15 Gigawatt (GW) Anschlussleistung. Das übersteigt die derzeitige Höchstlast in Baden-Württemberg um einige Gigawatt. 

 

Von wem kommen die Anfragen?

Die meisten Anfragen kommen von Batteriespeicherbetreibern. Darüber hinaus haben wir Netzanschlussbegehren von Verteilnetzbetreibern und von einzelnen Industrie- und Erneuerbare-Energien-Anlagen.

 

Was ändert sich dadurch?

Für uns ändert sich fast alles. In der Vergangenheit waren einzelne Kraftwerke und regionale Verteilnetzbetreiber an unser Netz angeschlossen. Da gab es bekannte Ansprechpersonen und langfristige Planungssicherheit. Nun prasseln neue Anfragen förmlich auf uns ein und die Kunden wünschen, kurzfristig – in der Regel innerhalb von zwei bis drei Jahren – angeschlossen zu werden.

 

Könnt ihr die Netzanschlussbegehren in irgendeiner Weise priorisieren?

Eine Priorisierung wäre von Vorteil, aber derzeit gibt das die rechtliche Lage kaum her. Wir sind verpflichtet, ein Netzanschlussbegehren, sofern keine technischen Unmöglichkeiten oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeiten dagegensprechen, umzusetzen. Wir bräuchten ein Verfahren, bei dem wir vorausschauend auf die gesamten Bedarfe blicken und nicht jede Anfrage nach dem Prinzip „First come, first served“ bedienen. Es ist bereits schwierig, mehrere Netzanschlussanfragen für denselben Punkt zu bearbeiten, weil wir die sensiblen Geschäftsinformationen nicht ohne Einverständnis aller Beteiligten teilen können. Es gibt an vielen Stellen Verbesserungsbedarf.

 

Was schlägst du vor, um das Verfahren zu verbessern?

Es wäre sinnvoll, Vorzugsregionen mit bereits verfügbaren Netzanschlusskapazitäten auszuweisen, um systemische Effekte zu kombinieren, beispielsweise durch den Bau von Batteriespeichern und Solarparks an einem Netzanschlusspunkt. Alternativ könnte man – analog zu den Ausschreibungen für erneuerbare Energien – die Anschlussleistung für Batteriespeicher oder Rechenzentren verauktionieren. Dadurch könnte man je nach Anschlussnehmer differenzieren und den Aufwand für alle Beteiligten reduzieren. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Wechsel von „First come, first served“ zu „First ready, first served“, um zu verhindern, dass unreife Projekte Netzanschlusskapazitäten blockieren.

„Aktuell müssen wir gleichzeitig die Netz­anschluss­begehren und die Projekte aus dem Netz­entwicklungs­plan umsetzen. Hier entsteht eine Konkurrenz­situation, die durch die angespannten Liefer­ketten noch verschärft wird.“

Dr. Andreas Bublitz

Lauft ihr bei der Umsetzung in Engpässe rein, was zum Beispiel Personal und Lieferketten anbelangt?

Mit dem Netzentwicklungsplan haben wir versucht, den Netzausbau für die nächsten 10 bis 20 Jahre zu planen, und dafür auch Marktabfragen durchgeführt. Bei den Marktabfragen haben wir wenig Rückmeldung erhalten, sodass wir nicht vorab wissen konnten, an welchen Stellen ein Batteriespeicher oder ein Rechenzentrum entstehen wird. Das Netz wird bereits an vielen Stellen ausgebaut, aber für einen neuen Anschluss mit der Leistung einer Stadt wie Mannheim oder Karlsruhe müssen selbstverständlich weitere netztechnische Maßnahmen durchgeführt werden. Jetzt müssen wir gleichzeitig die Netzanschlussbegehren und die Projekte aus dem Netzentwicklungsplan umsetzen. Hier entsteht eine Konkurrenzsituation, die durch die Lieferkettenengpässe noch verschärft wird.

 

Seht ihr in den nächsten Jahren eine ähnliche Welle an Anfragen von Elektrolyseuren auf euch zukommen?

Von dem, was wir bisher gesehen haben, zeichnet sich bei den Elektrolyseuren ein starkes Nord-Süd-Gefälle ab. Es gibt Netzanschlussanfragen im zweistelligen Gigawatt-Bereich in Norddeutschland, bei uns jedoch nichts Vergleichbares.

 

Heißt das, der Wasserstoff muss nach Baden-Württemberg transportiert werden, und wird nicht dort erzeugt?

Darauf deutet einiges hin. Da der Ausbau des Wasserstoffnetzes bis nach Baden-Württemberg noch Zeit benötigt, könnte der Einsatz von Elektrolyseuren in Baden-Württemberg notwendig sein, um die zeitnahen Bedarfe der Industrie zu decken. 

 

Bekanntermaßen ist im Verteilnetz die Masse an Erneuerbaren-Anschlüssen ein Problem. Merkt man das auch im Übertragungsnetz?

Wir haben in Baden-Württemberg bisher keine Solarparks an das Übertragungsnetz angeschlossen. Ich bin überzeugt, dies hängt stark damit zusammen, dass die benötigten Flächen für große Solarparks in Baden-Württemberg rar beziehungsweise die Bodenrichtwerte im deutschlandweiten Vergleich hoch sind. Bei der Windenergie ändert sich dies in den nächsten Jahren: Mit einer beachtlichen Leistung von ca. 200 MW entsteht im Altdorfer Wald ein Windpark, der voraussichtlich bis 2030 an unser Übertragungsnetz angeschlossen werden soll.

 

Spielt der Baukostenzuschuss eine wichtige Rolle für die Netzanschlussbegehren in der Zukunft?

Baukostenzuschüsse haben eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion. Sie sorgen dafür, dass Anschlussnehmer an den Kosten, die sie im Netz verursachen, beteiligt werden und dadurch die Netzanschlussleistung nicht überdimensioniert wird. Es ist daher wichtig, dass es einen Baukostenzuschuss geben wird, und wir sind gespannt, wie dieser auf den Markt wirkt. Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland heute Anfragen in einer Größenordnung von über 160 GW Anschlussleistung bei Batteriespeichern haben, im Netzentwicklungsplan bis 2045 aber nur etwa 40 GW an Batteriegroßspeichern vorgesehen sind, hoffen wir auf ein Signal, das für einen sinnvollen Zubau sorgt, ohne den Markt abzuwürgen. Das Konzept des Baukostenzuschusses hat heute jedoch nur die Lasten im Blick. Wir wünschen uns, dass man zukünftig auch die Erzeugungsseite einbezieht, denn auch da entstehen Kosten.

 

Siehst du neben dem Baukostenzuschuss weitere Instrumente, die wirksam wären, um mit den vermehrten Netzanschlussbegehren umzugehen?

Wir kommen aus einer Zeit, in der ausreichend Anschlusskapazität im Netz vorhanden war und es darum ging, möglichst schnell ans Netz anzuschließen. Dieser Grundgedanke ist auch heute noch in den Gesetzen und Verordnungen vorzufinden. Die Anschlusskapazitäten sind mittlerweile deutlich knapper. Es wäre daher sinnvoll, steuernd einzugreifen und zwischen unterschiedlichen Netzanschlusstypen zu priorisieren, um die unterschiedlichen politischen und energiepolitischen Ziele zu erreichen. Da wir als Übertragungsnetzbetreiber stets diskriminierungsfrei agieren, können wir dies nicht selbst übernehmen. Hier muss die Politik Leitlinien vorgeben.

Selbst erklärt: Netzanschluss bei TransnetBW

Der Neuanschluss von erneuerbaren Energieanlagen (EE-Anlagen), Kraftwerken, Elektrolyseuren und leistungsstarken Batteriespeichern (über 100 MW) spielt eine zentrale Rolle in der Energiewende und ist essenziell, um die Klimaneutralitätsziele der Bundesregierung bis 2045 zu erreichen.

Was bedeutet der Batteriespeicher-Boom für den Bereich Netzanschlussverfahren? Domenic Schumacher sorgt mit seinem Team dafür, dass neue Anlagen wie Batteriespeicher, Photovoltaikparks oder Rechenzentren erfolgreich an das Übertragungsnetz von TransnetBW angebunden werden. 

Schumacher hat uns in den Prozess von der ersten Anfrage über die Prüfung bis hin zur Vertragsunterzeichnung mitgenommen.

Porträtbild Domenic Schumacher
Domenic Schumacher ist Manager für Netzanschlussanfragen und Netzanschlussverfahren in der Abteilung Netzzugang und Netzkunden.

Domenic Schumacher ist seit Oktober 2024 Teil von TransnetBW und arbeitet als Manager für Netzanschlussanfragen und Netzanschlussverfahren in der Abteilung Netzzugang und Netzkunden. Der studierte Wirtschaftsingenieur bringt Erfahrungen aus der Gas- und Kommunalwirtschaft mit. Bei TransnetBW bildet er mit seinem Team die Schnittstelle zwischen dem Antragsteller und internen Fachbereichen – etwa Asset-Management oder Technik. Seine Abteilung steuert den Prozess von der ersten Anfrage bis zur Netzanschlusszusage und Vertragsunterzeichnung.

Alle Netzanschlussbegehren landen in einem zentralen Postfach. Domenic Schumacher und sein Team prüfen eingegangene Unterlagen, beantworten Rückfragen und behalten den Überblick über laufende Projekte und Fristen. Dabei geht es nicht nur um technische Parameter, sondern auch um Koordination und Kommunikation. Was auf dem Papier nach klaren Abläufen klingt, ist in der Praxis ein dynamischer und anspruchsvoller Prozess. Besonders deutlich zeigt sich das beim Thema Batteriespeicher. Seit 2022 hat die Anzahl entsprechender Anfragen massiv zugenommen. Aktuell machen Batteriespeicher über 70 Prozent der angefragten Anschlussleistungen aus – mit einem Volumen von über 12 Gigawatt. Damit übersteigen sie deutlich den perspektivischen Bedarf und stellen sowohl organisatorisch als auch systemtechnisch eine große Herausforderung dar.

„Von Kundenseite hören wir oft, dass es einen Run, insbesondere auf die Grundstücke nahe unseren Umspannwerken gibt und es schwierig ist, diese zu sichern“, berichtet Schumacher. „Wir gehen davon aus, dass die Anzahl an Netzanschlussanfragen für Batteriespeicher weiter steigen wird. Gleichzeitig übersteigt die angefragte Leistung den perspektivischen Bedarf an installierten Batteriespeichern deutlich.“

Um diesem Run zu begegnen, wurde der Bearbeitungsprozess für Batteriespeicher nach der Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (KraftNAV) standardisiert. Damit gelten strenge zeitliche Vorgaben. Zusätzlich dazu bestehen klare Anforderungen an die Unterlagengüte – etwa ein exklusives Grundstückszugriffsrecht.

Ein zentraler Aspekt seiner Arbeit ist deshalb die Prozessoptimierung. Gemeinsam mit seinem Team hat Schumacher kürzlich die Anforderungen für Batteriespeicher-Anfragen auf der TransnetBW-Website öffentlich gemacht. 

„Der Prozess und die zeitliche Abfolge sind transparent und für beide Seiten nachvollziehbar. Aufgrund der engen zeitlichen Fristen setzen wir einen hohen Standard an die Unterlagengüte wie das exklusive Zugriffsrecht auf ein Grundstück voraus. Mit diesem Vorgehen können wir unsere begrenzten Ressourcen auf die Netzanschlussanfragen und Projekte fokussieren, deren Umsetzung am erfolgversprechendsten ist.“

„Ich bin optimistisch, dass wir die Heraus­forderung der steigenden Netz­anschluss­anfragen meistern werden.“

Domenic Schumacher

Das Thema Netzanschluss betrifft mehr als nur Speicher: TransnetBW erhält Anfragen für ganz unterschiedliche Anlagentypen: Windparks, Elektrolyseure, klassische Kraftwerke und viele mehr. Jeder Anfragetyp bringt eigene rechtliche und technische Rahmenbedingungen mit sich. Ein Netzanschluss ist immer individuell. Deshalb ist unser Ziel, sowohl standardisierte Prozesse zu etablieren als auch flexibel auf Projekterfordernisse reagieren zu können.

Standardisierte Prozesse erleichtern das Verfahren für alle Beteiligten. Für Schumacher wäre es optimal, „wenn sich unsere Anschlusspetenten – Personen oder Organisationen, die einen Antrag stellen – über den Prozessablauf und die benötigten Unterlagen vorab informieren und die erforderlichen Dokumente möglichst korrekt und vollständig aufbereiten und zur Verfügung stellen. Dadurch kann eine für beide Seiten effiziente Prozessabwicklung erfolgen.“

Der Netzanschluss ist ein zentraler Hebel für das Gelingen der Energiewende – und der Netzanschluss-Manager ist sich dieser Verantwortung bewusst. Die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Planung, Technik und Kundschaft erfordert Genauigkeit, Kommunikationstalent und Weitblick. Die hohe Dynamik des Marktes, der rasante Zubau erneuerbarer Energien und der steigende Bedarf an Netzkapazitäten machen seine Tätigkeit anspruchsvoll, aber auch sinnstiftend.

„Mich begeistert die Vielseitigkeit“, sagt Schumacher. „Ich arbeite an realen Projekten, kann Ideen einbringen und sehe, welchen Beitrag wir für eine stabile und nachhaltige Energieversorgung leisten. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.“

Zum Bereich Netzanschluss bei TransnetBW.

Keine Beiträge von 3239+ verpassen!