22. Mai 2011
Elektrisches System in Deutschland zeitweise nur mit erheblichen operativen Eingriffen der Übertragungsnetzbetreiber noch sicher zu betreiben / Angespannte, aber vermutlich beherrschbare Situation im Sommer
Elektrisches System in Deutschland zeitweise nur mit erheblichen operativen Eingriffen der Übertragungsnetzbetreiber noch sicher zu betreiben / Angespannte, aber vermutlich beherrschbare Situation im Sommer / Handlungsspielräume weitgehend ausgeschöpft / Analysen zeigen, dass im Winter gesicherte Leistung von rund 2.000 MW in Süddeutschland fehlen und damit europäische Sicherheitsstandards nicht mehr erfüllt werden / Analysen werden in den kommenden Wochen gemeinsam mit der Bundesnetzagentur verifiziert und vertieft
Das Moratorium hat erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb des Energieversorgungssystems in Deutschland. Dank vorteilhafter Randbedingungen in den vergangenen Wochen (geringere Netzlast, viel Solar- und relativ wenig Windstrom) und des Einsatzes von Sondermaßnahmen durch die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) konnte die Stabilität der Stromversorgung bisher gewährleistet werden. Doch die deutschen ÜNB sehen insbesondere im Winterhalbjahr den notwendigen Handlungsspielraum und verfügbare Maßnahmen zur Erhaltung der Systemstabilität weitgehend erschöpft.
Die deutschen ÜNB sehen in den kommenden Sommermonaten eine angespannte, aber vermutlich beherrschbare Situation, sofern keine außergewöhnlichen Ereignisse in Deutschland oder im Ausland eintreten. Importe, verfügbare Erzeugung in Deutschland sowie der Beitrag der Photovoltaik können die fehlende Erzeugungsleistung im Sommer kompensieren. Stromflüsse von Nord nach Süd nehmen zu, auch in windschwachen Zeiten sind die Nord-Süd-Trassen nun sehr viel weiter ausgelastet als vor dem Moratorium. Bedingt durch die in den Sommermonaten stattfindenden Revisionen von Kraftwerken dürften auch in den kommenden Monaten verstärkt Eingriffe im elektrischen System zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit notwendig werden. Der freie Strommarkt wird damit über große Zeiträume faktisch ausgesetzt.
Fernab von jedem operativen Normalbetrieb wird das elektrische System zeitweise angespannter denn je betrieben. Es wird dann nur mit erheblichen operativen Eingriffen gerade noch gemäß europäischen Mindest-Sicherheitsstandards zu betreiben sein. Durch verstärkten Eingriff in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen (sog. „Redispatch“), durch Verschiebung und Umplanung von dringenden Netzinstandhaltungs- und - ausbaumaßnahmen, durch massive Eingriffe in den Strommarkt sowie durch Verschiebungen von Kraftwerksrevisionen werden alle Hebel zur Stabilisierung des elektrischen Systems eingesetzt. Trotz all dieser Maßnahmen steigt aber das Risiko für Netzstörungen, da die Reserven und Eingriffsmöglichkeiten der Netzbetreiber nahezu aufgezehrt sind. In Folge dessen sind großflächige Versorgungsausfälle im Falle von Mehrfachfehlern wahrscheinlicher als jemals zuvor.
Für den Fall der fortgesetzten Reduzierung der gesicherten Erzeugungskapazität in Deutschland um rund 8.000 MW für den Zeitraum nach dem Moratorium, insbesondere für den kommenden Winter, gibt es in Deutschland aufgrund dann typischerweise geringeren Importmöglichkeiten speziell am Abend kaum noch gesicherte freie Erzeugungsleistung.
Unter diesen Rahmenbedingungen könnte sich in Süddeutschland an einigen sehr kalten Wintertagen mit geringer Windeinspeisung in Norddeutschland ein Defizit an gesicherter Erzeugungsleistung ergeben. In diesen Zeitpunkten ist eine ausreichende Versorgungssicherheit im Süden Deutschlands nicht mehr gewährleistet. Eine sichere Versorgung der Kunden ist in diesen Fällen ernsthaft gefährdet. Deutschland wäre zeitweise auf Importe angewiesen, deren grundsätzliche Verfügbarkeit nicht gesichert ist, da auch die Nachbarländer im Winter erfahrungsgemäß nicht immer in der Lage sind, sich selbständig zu versorgen. Hinzu kommt, dass auch in einigen Nachbarstaaten eine Debatte über eine mögliche Abschaltung einzelner Kernkraftwerke im Gange ist. Als Folge steigt das Risiko für großflächige Versorgungsausfälle, nicht zuletzt aufgrund eines möglichen Zusammenbruchs der Spannung.
Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber werden in den kommenden Wochen in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur die Ergebnisse der Analysen weiter verifizieren und vertiefen.
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