04. Februar 2019
Übertragungsnetzbetreiber veröffentlichen ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030 Version 2019
- Vierwöchige Konsultation des Netzentwicklungsplans (NEP) beginnt
- Planung sichert die Integration von 65 Prozent erneuerbarer Energien (EE) und berücksichtigt die Vorgaben des Klimaschutzplans 2050
- Innovationen in Markt und Netz minimieren zusätzlichen Netzausbaubedarf
- Alle Maßnahmen des Bundesbedarfsplans bestätigt
Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW (ÜNB) haben den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) 2030 in der Version 2019 auf netzentwicklungsplan.de veröffentlicht. Damit beginnt die vierwöchige öffentliche Konsultation, während derer jeder bis zum 4. März 2019 online, per E-Mail oder schriftlich Stellungnahmen zum NEP abgeben kann. Die Stellungnahmen fließen in den zweiten Entwurf des NEP ein, der dann der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Prüfung übergeben wird.
Die am 26. Januar 2019 vorgestellten Ergebnisse der von der Bundesregierung eingerichteten Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" (WSB) zum Ausstieg aus der Kohleverstromung konnten im ersten Entwurf zwar noch nicht im Detail berücksichtigt werden. Der genehmigte Szenariorahmen hat aber bereits eine signifikante Reduktion des Kohlekraftwerksparks angenommen. Für 2030 entsprechen die Vorschläge der WSB-Kommission für installierte Kohlekraftwerkskapazität (17 GW) fast exakt dem Szenario C 2030 (17,1 GW). Die ÜNB werden die Ergebnisse der Kommission analysieren und eine Einschätzung hinsichtlich der Auswirkungen auf den identifizierten Netzentwicklungsbedarf insbesondere für das Szenario B 2035 abgeben.
Alle Szenarien des NEP für das Zieljahr 2030 erfüllen das 65-Prozent-Ziel für EE am Bruttostromverbrauch, das im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Zusätzlich werden die sektoralen CO2-Ziele des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung für das Jahr 2030 eingehalten. In die Berechnungen gingen außerdem Vorgaben zu Mindestkapazitäten an den Grenzkuppelstellen zur Sicherung des grenzüberschreitenden Stromhandels ein, die sich aus den europäischen Prozessen zur Entwicklung der Übertragungsnetze und des europäischen Energiebinnenmarkts ergeben.
Fünf Szenarien
Der am 15. Juni 2018 von der BNetzA genehmigte Szenariorahmen ist Ausgangspunkt für die Erstellung des NEP 2030 (2019). Der Szenariorahmen enthält insgesamt fünf Szenarien: ein Kurzfristszenario B 2025, drei Szenarien mit dem Zieljahr 2030 (A, B und C) sowie das Langfristszenario B 2035.
Die Szenarien A 2030, B 2030 und C 2030 unterscheiden sich hinsichtlich des Einsatzes innovativer Technologien, Speichertechnologien und Flexibilitätsoptionen, die jeweils gegenüber dem letzten NEP 2030 (2017) noch einmal deutlich ausgeweitet wurden. B 2035 blickt weiter in die Zukunft und dient dazu zu prüfen, wie nachhaltig die für 2030 ermittelten Netzmaßnahmen sind. Das neue Szenario B 2025 wird zum Nachweis der Wirksamkeit der sogenannten Ad-hoc-Maßnahmen herangezogen. Deren vorrangiges Ziel ist die Vermeidung kostspieliger Netzeingriffe wie Redispatch und Einspeisemanagement nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke und bevor die im Bundesbedarfsplan gesetzlich verankerten Netzausbauprojekte vollständig umgesetzt sind.
In allen Szenarien ist ein weiterhin steigendes innerdeutsches Gefälle bei der Stromerzeugung zu beobachten. Während in Nord- und Ostdeutschland in allen Szenarien die Erzeugung die lokale Nachfrage um mehr als das Doppelte übertrifft, herrscht in Süd- und Westdeutschland ein Erzeugungsdefizit. Zwischen etwa einem Viertel und der Hälfte der jährlichen Stromnachfrage müssen in diesen Bundesländern aus in- und ausländischen Importen gedeckt werden. Die Bedeutung erneuerbarer Energien nimmt weiter zu: Wind (on- und offshore) ist der Energieträger mit dem größten Anteil am Energiemix in allen Szenarien.
Werkzeuge zur Minimierung des Netzausbaubedarfs
Im NEP 2030 (2019) erfolgt eine Netzdimensionierung auf Grundlage einer volkswirtschaftlichen, kostenminimierenden Marktmodellierung. Dabei werden Rahmenbedingungen berücksichtigt, die sich im realen Betrieb nicht unbedingt einstellen werden, zum Beispiel ein idealer Markt, die Annahme von Stundenmittelwerten und eine durchgängig für ganz Deutschland angesetzte Spitzenkappung bei Wind onshore und Photovoltaik. Diese führen in Summe zu einer deutlichen Reduktion der Übertragungsaufgabe. Damit erfolgt mit dem NEP 2030 (2019) keine Ausweisung eines Netzausbaus im Übertragungsnetz "für die letzte erzeugte Kilowattstunde".
Mit dem Ziel, den zusätzlichen Netzentwicklungsbedarf auf das geringstmögliche erforderliche Maß zu reduzieren, werden in den Berechnungen im NEP 2030 (2019) außerdem fortschrittliche Technologien in der Netzplanung und in der Netzbetriebsführung berücksichtigt. Hierzu zählen das Freileitungsmonitoring, der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen sowie Elemente zur aktiven Steuerung des Leistungsflusses – und damit zur optimalen Ausnutzung des Bestandsnetzes. Implizit eingeflossen sind auch heute noch nicht bereitstehende Innovationen, die zukünftig den Netzausbaubedarf reduzieren können.
Im Vergleich zum letzten NEP 2030 (2017) führen diese angenommenen Entwicklungen im Markt und im Netz dazu, dass ein deutlich größerer EE-Anteil mit einem geringeren zusätzlichen Netzausbau in das System integriert werden kann. Mit dem vorgeschlagenen Netz ist eine Integration von 65 Prozent EE bei gleichzeitiger Einhaltung der Vorgaben des Klimaschutzplans 2050 möglich.
Um- und Ausbaubedarf des Höchstspannungsnetzes
Alle im Bundesbedarfsplan enthaltenen Vorhaben zur Verstärkung und zum Ausbau des Höchstspannungsnetzes sowie die im NEP 2030 (2017) von der BNetzA bestätigten Maßnahmen zeigen sich in den Szenarien B 2030 und B 2035 als erforderlich.
Der EE-Ausbau auf 65% bei gleichzeitig deutlicher Reduktion der Kohleverstromung erfordert zwei über den Bundesbedarfsplan hinausgehende leistungsfähige Gleichstrom-Verbindungen mit einer Kapazität von insgesamt vier Gigawatt (GW), die Strom von Schleswig-Holstein über Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bis nach Baden-Württemberg auf einer Gesamtlänge von rund 1.160 km transportieren (DC21/DC23 sowie DC25). Im Szenario B 2030 sind zudem weitere rund 2.900 km an Netzverstärkungen im Bestand und rund 450 km an Neubau-Maßnahmen (Drehstrom und Gleichstrom) erforderlich, die noch nicht Bestandteil des Bundesbedarfsplans sind.
Investitionskosten NEP 2030 (2019)
Die geschätzten Investitionskosten für die vorgeschlagenen landseitigen Maßnahmen liegen – einschließlich rund 11,5 Mrd. Euro für das Startnetz sowie der Kosten für die Ad-hoc-Maßnahmen – bei rund 52 Mrd. Euro im Szenario B 2030. Diese Kosten fallen über die Jahre verteilt an.
Die Erhöhung der Kosten gegenüber dem NEP 2030 (2017) ist einerseits auf eine Anpassung der Standardkosten auf neue, an die Marktentwicklung angepasste Werte zurückzuführen. Hier wurden erstmals neben einer Anpassung der reinen Asset-Kosten auch Kosten für Grundstücke sowie die Planungs- und Genehmigungsverfahren in den spezifischen Kostenschätzungen berücksichtigt. Andererseits führt die geänderte Zusammensetzung der Maßnahmen zu Kostensteigerungen. Insbesondere der im Szenario B 2030 (2019) gegenüber B 2030 (2017) um rund 1.160 km größere Gleichstrom-Netzausbau wirkt kostensteigernd. Dabei wurde allerdings im Sinne einer höheren Akzeptanz eine Vollverkabelung der zusätzlichen Gleichstrom-Verbindungen angenommen.
Ausbaubedarf zur Anbindung der Offshore-Windenergie
Zusammen mit dem NEP wurde in den vergangenen Jahren auch der Offshore-Netzentwicklungsplan (O-NEP) erstellt. Dieser wurde vom Gesetzgeber in den vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie zu erstellenden Flächenentwicklungsplan (FEP) verlagert. Die erforderliche Infrastruktur für die Anbindung der Offshore-Windenergie in den Jahren 2030 und 2035 wurde in den NEP 2030 (2019) integriert.
Die Ziele für den Ausbau der Offshore-Windenergie wurden im genehmigten Szenariorahmen gegenüber dem im EEG verankerten sowie im FEP-Entwurf zu Grunde gelegten Ziel von 15 GW bis 2030 angehoben auf 17 GW (Szenarien B 2030 und C 2030), 20 GW (Szenario A 2030) bzw. 23,2 GW (Szenario B 2035).
Für das Zubau-Offshorenetz ergibt sich eine Länge von 1.924 km im Szenario B 2030 bei einer Übertragungsleistung von rund 6,4 GW und von 3.439 km für den Ausblick im Szenario B 2035 bei einer Übertragungsleistung von rund 12,1 GW.
Das geschätzte Investitionsvolumen für das deutsche Offshore-Netz beträgt für die Szenarien B 2030 und C 2030 rund 18 Mrd. Euro, für das Szenario A 2030 24 Mrd. Euro sowie für das Szenario B 2035 rund 27 Mrd. Euro. Die Investitionen von rund 8 Mrd. Euro für die Ausbaumaßnahmen des Start-Offshorenetzes sind hierin jeweils berücksichtigt.
Die Ergebnisse einer zusätzlich berechneten Sensitivität zeigen, dass eine Steigerung der Einspeisung aus Offshore-Windenergie aus leicht erschließbaren Flächen in der Ostsee um 1 GW durch die bereits geplante Netzinfrastruktur aufgenommen werden kann. Dadurch ergibt sich eine zusätzliche Flexibilität beim politischen Ausbauziel für die Offshore-Windenergie in 2030 in einer Bandbreite von 17 bis 20 GW.
Weitere Information unter netzentwicklungsplan.de
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