30. April 2020

Erneuerbare-Energien-Gesetz in der Praxis

Corona-Krise: Fallende Börsenstrompreise durch eine geringe Stromnachfrage bei hoher EE-Einspeisung! Spekulationen über die Auswirkungen auf die EEG-Umlage in 2021 häufen sich. Die aktuell hohe Einspeisung von Sonnen- und Windstrom lässt die durch die EEG-Umlage zu begleichenden Vergütungszahlungen an Anlagenbetreiber steigen. Höher als geplante Zahlungen müssen daher in der nächsten Umlage entsprechend nachgeholt werden. Aktuell können aber noch keine verlässlichen Prognosen gemacht werden, wie hoch die EEG-Umlage im nächsten Jahr tatsächlich ausfallen wird.

Der Mechanismus des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) und dessen Umsetzung in der Praxis sind auch das täglich Brot des TransnetBW Teams „EEG & Umlagen“. Im Interview unserer Newsletters TRANSPARENT beleuchten wir die Rolle der TransnetBW als EEG-Umsetzer.

Dr. Geiger, am 1. April ist eine neue Ausschreibungsrunde für Windkraft- und Solaranlagen gestartet. Jährlich steigt die Anzahl der Anlagen in der Direktvermarktung. Zusätzlich kommen erste Offshore-Projekte ganz ohne Förderung aus. Ist TransnetBW die Rolle als EEG-Vermarkter künftig los?
Tatsächlich steigt der Anteil der Anlagen in der Direktvermarktung. Das liegt auch daran, dass bereits seit dem EEG 2014 die Direktvermarktung für größere neuere Anlagen vorgeschrieben wird. Die Übertragungsnetzbetreiber bleiben trotzdem weiterhin verantwortlich für die Vermarktung des Stroms aus den Anlagen in der sogenannten Festvergütung an der Strombörse. Insbesondere kleinere Photovoltaikanlagen werden nach wie vor zum allergrößten Teil von uns vermarktet. Bei uns in Baden-Württemberg sind das immerhin knapp 350.000 EEG-Anlagen. Nur rund 3.500 Anlagen befinden sich derzeit in der Direktvermarktung. Und selbst für diese werden wir gebraucht, nämlich als Rückfalloption. Falls der Direktvermarkter einmal ausfallen sollte, können diese Anlagen in die sogenannte Ausfallvermarktung wechseln, die wir übernehmen.

War das Förderregime des EEG also früher besser?
Früher war nicht alles besser, vieles aber sicherlich einfacher. Kam das EEG im Jahr 2000 noch mit zwölf Paragraphen und weniger als 2.400 Wörtern aus, sind es heute über 100 Paragraphen und rund 70.000 Wörter. Nicht zu vergessen, dass in vielen Fällen alte Versionen des EEG fortgelten, die Komplexität also nochmals deutlich höher ist. Die Anzahl der Vergütungskategorien stieg in der gleichen Zeit von einer sehr niedrigen zweistelligen Anzahl auf heute weit über 5.000. Das fordert uns natürlich sehr. Trotzdem kann man sagen, dass sich die Umsetzung der EEG-Förderung in den letzten Jahren ganz gut eingeschwungen hat und die Prozesse im Großen und Ganzen effizient und reibungslos funktionieren.

Das hört sich ja fast so an, als ob das EEG für Sie keine Herausforderung mehr darstellt?
Naja, auf der EEG-Umlageseite, die der Refinanzierung der EEG-Förderung dient, gibt es durchaus noch offene Baustellen. Hier ist es in den letzten Jahren viel komplexer und aufwendiger geworden. Im EEG wurden bestehende Privilegien bei der EEG-Umlagepflicht, also Umlagereduzierungen für die Eigenversorgung mehr und mehr eingeschränkt, um die Refinanzierung der Förderung erneuerbarer Energien auf eine breitere Basis zu stellen. Das ist an sich sinnvoll, stellt uns aber im Einzelfall vor große Herausforderungen bei der Umsetzung.

Was heißt das genau?
Erstmal haben wir viele Abgrenzungsfragen zu klären. Handelt es sich tatsächlich um eine Eigenversorgung? Oder doch um eine „normale“ Stromlieferung? Hier ist oftmals strittig, wer als Anlagenbetreiber anzusehen ist, vor allem wenn es sich um Pachtmodelle handelt.
Außerdem ist die Anzahl umlagepflichtiger Unternehmen und Anlagenbetreiber deutlich gestiegen. Die Mehrheit der abzuwickelnden Fälle sind heute Privatpersonen oder Wohnungseigentumsgemeinschaften, die sich in der Regel im EEG nicht allzu gut auskennen. Dabei geht es beispielsweise um einen Eigenheimbesitzer mit eigener Photovoltaikanlage, der einen kleinen Teil des produzierten Stroms an Mieter in seiner Einliegerwohnung liefert (so genannte Drittbelieferung). Dieser kleinere Teil des Stroms ist melde- und umlagepflichtig gegenüber uns ÜNB. Es gibt für solche Fälle keinerlei Bagatellgrenzen. Resultat: Die Verwaltungskosten zur Erhebung der Umlage sind oft höher als die Umlageerlöse selbst. Und letztendlich ist es in der Praxis eine große Herausforderung, Sachverhalte so zu erklären, dass der Laie sie versteht. Gleichzeitig müssen wir aber auch Sonderkonstellationen zum Beispiel bei stromkostenintensiven Unternehmen richtig abbilden können.

Sie erfüllen als ÜNB auch die Rolle als „Geldeintreiber“, um die Finanzierung der erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Eine undankbare Rolle?
In der Tat. Gerade, weil häufig Wissen und Verständnis dafür fehlt, weshalb die EEG-Umlage bezahlt werden muss. Ich habe vorhin bereits die Drittbelieferung angesprochen. Für diese musste schon immer, und seit 2014 im Regelfall auch für Eigenversorgungen, die EEG-Umlage bezahlt werden. Das ist vielen Anlagenbetreibern komplett unbekannt und hat zur Folge, dass nicht kalkulierte Ausgaben auf die Anlagenbesitzer zukommen. Dies sorgt in einigen Fällen für Frust, den dann oftmals meine Kolleginnen und Kollegen am Telefon abbekommen.

Sehen Sie da einen gesetzlichen Anpassungsbedarf?
Sinnvoll wäre es, auch für Dritt belieferungen Bagatellgrenzen ein zuführen, unterhalb derer keine EEG-Umlage anfällt. Als Gesetzesanwender halten wir es außerdem für wichtig, das Gesetz möglichst präzise zu formulieren und die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu vermeiden. Dadurch könnte viel Unsicherheit über die Auslegung des Gesetzes vermieden werden. Wirkliche Rechtssicherheit wird oftmals erst durch Gerichtsurteile in konkreten Streitfällen erreicht, wobei die Prozesse durch die Instanzen so lange dauern, dass das EEG bis dahin bereits mehrfach novelliert wurde. Es gibt zwar behördliche Leitfäden, die aber rechtlich unverbindlich sind und nur bedingte Abhilfe schaffen.

Hieraus lassen sich sicher einige Botschaften an die Politik formulieren ...
Neben den genannten gesetzlichen Anpassungen wäre eine Vereinfachung des EEG-Mechanismus für alle Seiten wünschenswert und wird ja aktuell auch wieder diskutiert. Wir sehen jedoch seit Jahren eher das Gegenteil. Die aktuellen Überlegungen zur Verwendung der CO2-Bepreisung sind ein gutes Beispiel. Varianten werden diskutiert, um das Risiko zu minimieren, dass das EEG als Beihilfe im Sinne des EU-Rechts eingestuft wird. Ob diese den EEG-Mechanismus deutlich komplexer und in der operativen Umsetzung schwieriger machen würden, scheint dabei keine Rolle zu spielen.

Das schreit nach einer grundsätzlichen Überarbeitung des EEG, oder?
Das wird in letzter Zeit oftmals gefordert, ja. Sicherlich ist es so, dass man mit den Erfahrungen von heute viele Dinge bei der Schaffung des EEG komplett anders hätte regeln können. Anpassungen im laufenden System müssen jedoch sorgfältig geplant sein und mit ausreichend Vorlauf für alle Marktpartner beschlossen werden. Praxisbezogene Ansatzpunkte wie die Einführung einer Bagatellgrenze für Kleinstanlagen sowie gezielte und präzise Formulierungen in der Gesetzgebung wären aber sicher hilfreich.

Foto: Das Team EEG & Umlagen von Dr. Ansgar Geiger zählt insgesamt 15 Personen und verantwortet die Umsetzung gesetzlicher Aufgaben aus dem EEG, KWKG, § 19 Abs. 2 StromNEV, § 17f EnWG (Offshore- Haftungsumlage) sowie der Abschaltbare Lasten Verordnung (AbLaV). Zu diesen Aufgaben gehört auch die Bestimmung der Umlagen in Zusammenarbeit mit den anderen ÜNB. Auch der energetische und finanzielle Belastungsausgleich mit den anderen ÜNB, sowie der Förder- und Wälzungsmechanismus mit allen Elektrizitätsversorgungsunternehmen und Verteilnetzbetreiber, die in der Regelzone der TransnetBW tätig sind, werden im Team EEG & Umlagen abgewickelt.

Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe des Politik-Newsletters TRANSPARENT erschienen.