Innovation

Kompensations­anlagen für Blindleistung

Für ein stabiles Stromnetz

Die Frequenz der Stromnetze in Deutschland und Europa beträgt 50 Hertz. Das bedeutet, dass der Strom 50-mal pro Sekunde seine Richtung wechselt und die Leitungen unter Spannung stehen. 

Bei TransnetBW haben wir die 50-Hertz-Netzfrequenz stets als Zielmarke vor Augen. In der Hauptschaltleitung in Wendlingen sorgen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch in Baden-Württemberg.

Die Energiewende verändert die Art und Weise, wie wir Strom produzieren und nutzen und somit die Struktur unserer Versorgungssysteme. Immer mehr Strom stammt aus erneuerbaren Energien. Deren Erzeugung schwankt jedoch wetterbedingt. Um die Stromnetze stabil zu halten, investiert TransnetBW in den Netzausbau und in neue Technologien, die die Schwankungen kompensieren.

Hintergrund

Was ist Blindleistung?

Nicht nur die Netzfrequenz ist auf Grund der Energiewende stärkeren Schwankungen ausgesetzt. Durch die Änderungen in den Leitungsauslastungen kommt es auch zu Spannungsschwankungen. Ein kontinuierlicher Stromtransport ist jedoch nur möglich, wenn die entsprechenden Leitungen konstant unter Spannung stehen. Hierfür wird ein elektrisches und ein magnetisches Feld 50-mal pro Sekunde auf- und abgebaut. Die benötigte Energie zum Aufbau dieser Felder heißt Blindleistung. Es muss ausreichend Blindleistung vorhanden sein, damit sowohl das elektrische als auch das magnetische Feld bestehen bleiben. Für die Energieübertragung mit Wechselstrom ist Blindleistung unverzichtbar.

Mittels der Blindleistung lässt sich die Spannung im Übertragungsnetz bedarfsgerecht anheben oder absenken. So bleibt die Netzspannung frei von Schwankungen und die Netzstabilität wird gesichert.

Diese Aufgaben haben bisher primär Generatoren in großen Kraftwerken übernommen. Da diese im Zuge der Energiewende nach und nach vom Netz gehen, geht diese Aufgabe an die Übertragungsnetzbetreiber über. TransnetBW setzt für die Bereitstellung von Blindleistung verstärkt auf neue Technologien und eigene Anlagen an den Umspannwerks-Standorten.

Die richtige Menge Blindleistung 

Ist zu viel Blindleistung vorhanden, so besteht die Gefahr, dass alle im Netz angeschlossenen Geräte geschädigt werden. Ist zu wenig Blindleistung vorhanden, so können das elektrische und das magnetische Feld nicht aufrechterhalten bleiben. Die Folge ist, dass nicht genug Spannung im Netz vorhanden ist und kein Stromtransport über die Leitungen erfolgen kann. 

Entwicklung

Neue Technologien stabilisieren das Stromnetz

Um die Spannung zu reduzieren, setzt TransnetBW Kompensationsdrosselspulen (KPDR) ein. Kompensationskondensatoren (MSCDN-/KPKO-Anlagen) werden genutzt, um die Spannung zu erhöhen. 

STATCOM-Anlagen können sowohl spannungsreduzierend als auch spannungserhöhend wirken und stabilisieren die Spannung im Netz in beide Richtungen.

Mit diesen Technologien verfolgt TransnetBW das Ziel, dass Blindleistung nur noch zwischen Kompensationsanlage und Verbrauchern hin und her pendelt. So muss die Blindleistung nicht immer über das gesamte Netz transportiert werden.

STATCOM-GFM

STATCOM

Eine STATCOM-Anlage (Static Synchronous Compensator) ist eine Kompensationsanlage zur Umformung elektrischer Energie, mit der sich die Spannung im Netz sowohl anheben als auch absenken lässt. Mit ihr ist die Blindleistung stufenlos und sehr schnell einstellbar, sodass unmittelbar auf wechselnde Bedingungen im Netz reagiert und die Spannung stabilisiert werden kann.

1. Kondensatorhalle

Innerhalb der Kondensatorhalle befinden sich mehrere sogenannte „Superkondensatoren“, welche über den Umrichter angeschlossen werden. Durch diesen Kurzzeit­energie­speicher ist die STATCOM-GFM Anlage in der Lage, kurzfristig Energie auf- bzw. abzugeben, um somit die Stabilität im Über­tragungs­netz zu gewährleisten. 

2. Umrichterhalle

Der Umrichter ist das Herzstück der Anlage. Er verbindet die Gleich­spannungs­kondensatoren der Kondensatorhalle mit dem Wechselstrom des Übertragungs­netztes. Durch eine leistungsstarke Steuerung ist der Umrichter in der Lage, netzdienliche Aufgaben (wie z.B. Blindleistung, Frequenz- sowie Spannungsstabilität, Trägheit) in Sekundenbruchteilen zu erbringen.

3. Betriebsgebäude

Das Betriebsgebäude enthält die für den Betrieb der Anlage benötigten Instrumente, unter anderem Steuerungs- und Kommunikations­elektronik sowie einen Bedienplatz.

4. Umrichterkühlung

Um die Verlustleistung des Umrichters abzuführen, wird dieser aktiv wassergekühlt. Dabei ist die außenstehende Kühlanlage ausreichend groß dimensioniert, um die Wärme möglichst effizient an die Umgebung abzugeben. 

5. Drosselspulen

Die Drosselspulen befinden sich innerhalb der STATCOM-GFM Anlage, zwischen dem Umrichter und dem Übertragungsnetz. Die Drosselspulen haben dabei zwei Hauptaufgaben. Sie dienen einerseits dazu den Strom des Umrichters zu „glätten“ und andererseits als Netzfilter, um hochfrequente Anteile herauszufiltern.

6. MS-Schaltanlage

Die MS-Schaltanlage dient dazu, unterschiedliche Schalthandlungen innerhalb der Anlage vor­zu­nehmen. Dabei kann die Anlage z.B. frei bzw. geerdet werden, um bei Wartungs­arbeiten gefahrlos die Anlage betreten zu können. Die MS-Schaltanlage wird dabei als Freiluft bzw. Luftisolierte Schalt­anlage ausgeführt.

Technologie

TransnetBW setzt auf STATCOM-GFM

Gegenüber einer herkömmlichen STATCOM, die bereits seit Jahren bei anderen Netzbetreibern eingesetzt wird, kann eine STATCOM-GFM neben der Bereitstellung von Blindleistung auch Wirkleistung schnell aufnehmen und abgeben. Wirkleistung ist die elektrische Leistung, die tatsächlich aus der heimischen Steckdose kommt und zum Beispiel einen Staubsauger zum Laufen bringt. Die STATCOM-GFM erweitert die konventionelle STATCOM um netzbildende Eigenschaften, sogenanntes „Gridforming“. Voraussetzung dafür ist der Energiespeicher, der aus sogenannten SuperCaps besteht.

Bei einem Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch im Stromnetz, kann dieses kurzfristig Energie aus der STATCOM-GFM beziehen oder an sie abgeben. Das passiert zum Beispiel, wenn ein großes Kraftwerk oder eine Industrieanlage störungsbedingt ausfällt. Danach ist der Energiespeicher einer STATCOM-GFM leer beziehungsweise voll. Jedoch greift dann schon die Primärregelleistung aus anderen Quellen, wie zum Beispiel aus Batterien.

Wenn man so will, ist eine STATCOM-GFM der erste Fallschirm, der einem Zeit verschafft, bis der zweite Fallschirm aufgeht. Man spricht unter Ingenieuren auch von “Momentanreserve”.

Fragen zu STATCOM

Interview mit Projektleiter
Lukas Kaiser

Die STATCOM ist der Spiderman der Blindleistungs-Kompensationsanlagen: Sie kann alles, ist superschnell, maximal flexibel und die Spinne im Netz. Dies verdankt die STATCOM dem Einsatz von Umrichtern, welche aktiv steuerbar sind und so induktive und kapazitive Blindleistung stufenlos „synthetisch“ erzeugen können.

Die klassischen Blindleistungsanlagen müssen hingegen mechanisch geschaltet werden und sind dadurch entscheidend langsamer. Ferner kann man die Höhe der Blindleistung bei den klassischen Anlagen auch nur begrenzt einstellen.

Dank der Umrichter kann die STATCOM Blindleistung in Millisekunden bereitstellen. Und das jeweils in exakt der Menge, die auch wirklich vom Netz benötigt wird. Dadurch kann die Anlage auf plötzlich eintretende Schwankungen oder Fehler reagieren, noch bevor sie im Netz spürbar werden.

Unbedingt, denn wenn es darum geht, eine konstante Menge Blindleistung über mehrere Minuten oder Stunden bereitzustellen, sind Kompensationskondensatoren bzw. – drosseln vollkommen zweckmäßig und gehen Hand in Hand mit STATCOM Anlagen: Die STATCOM fangen die kurzfristigen Ereignisse ab und übergeben dann bei konstantem Blindleistungsbedarf an die klassischen Blindleistungsanlagen. Die STATCOM sind dadurch wieder entlastet und bereit, beim nächsten Netzereignis erneut blitzschnell zu reagieren.

Lukas Kaiser

„Die Energiewende hat erheblichen Einfluss auf die Stromversorgung. Blindleistungskompensationsanlagen tragen dazu bei, dass es nicht zu Schwankungen in den Netzen kommt. So können wir die Netzstabilität stets gewährleisten.“ 

Lukas Kaiser, Projektleiter STATCOM TransnetBW

Technologie

Grid-Forming: Eine wichtige Eigenschaft der STATCOM-GFM

Grid-Forming beschreibt eine Art der Wechselrichterregelung, die es ermöglichen wird, Stromnetze ohne konventionelle Kraftwerke zu betreiben. Wie bei vielen Themen der strategischen Netzplanung handelt es sich auch bei Grid-Forming um ein komplexes und facettenreiches Thema.

Technologie

Kompensations­kondensator (MSCDN/KPKO)

Kompensationskondensatoren (KPKO) können die Spannung erhöhen, etwa während einer sehr hohen Netzauslastung zur Mittagszeit. Die englische Bezeichnung lautet Mechanical Switched Capacitor with Damping Network (MSCDN).

Diese Anlagen können Blindleistung, die auf der Höchstspannungsebene die Übertragungsnetze und Transformatoren belastet, in das Netz einspeisen. Durch eine gleichmäßige Verteilung dieser Anlagen im Netz wird ein regionaler Ausgleich erreicht und der Transport von Blindleistung über weite Strecken vermieden. 

Die in Umspannwerken installierten Kompensationskondensatoranlagen sorgen dafür, dass mehr Strom transportiert und das Netz besser ausgelastet werden kann.

Sie bestehen aus miteinander verschalteten Kondensatoren und einer Filteranlage zur Dämpfung von elektrischen Oberschwingungen.

Kompensationskondensator am Umspannwerk Mühlhausen.

Technologie

Kompensations­drosselspule (KPDR)

Eine Kompensationsdrosselspule, kurz KPDR, wird beispielsweise bei einer geringeren Netzauslastung in der Nacht eingesetzt. Sie trägt dazu bei, die Netzspannung aufrecht zu halten.

Die KPDR besteht im Kern aus der Drosselspule, die auf beiden Stirnseiten von zwei Kühlaggregaten eingefasst wird. Die aus der Drosselspule nach oben zeigenden sogenannten „Dornen“ stellen die Verbindung zum Stromnetz her. Auf einem der beiden Kühlaggregate ist ein Ölausdehnungsgefäß befestigt, das zur Regulierung des Öls in der Drosselspule dient.

Eine solche Anlage ist rund 13 Meter lang, 4 Meter breit und ca. 5 Meter hoch.

Kompensationsdrosselspule Umspannwerk Neckarwestheim
Kompensationsdrosselspule des Umspannwerks Neckarwestheim